Der Finowkanal: Auf den Spuren alter Industriekultur

Die Passage der ältesten noch befahrbaren künstlichen Wasserstraße Deutschlands, gemeint ist der Finowkanal bei Eberswalde im Nordosten Brandenburgs, gilt unter Kennern als Geheimtipp. Idyllische Landschaften, versunkene Industriekultur, die Stadt Eberswalde und zwölf historische Schleusen sorgen auf einer Länge von 32 Kilometern für spannende Erlebnisse und „Entschleunigung“.

Das Barnimer Land, ein eiszeitlicher Höhenrücken zwischen Berlin und Eberswalde mit sanften Hügellandschaften, großen Mischwäldern, Seen und Wasserstraßen gehört zu den schönsten Regionen Brandenburgs. Beliebtester See im Barnim ist der Werbellinsee, den SKIPPER Bootshandel in der Ausgabe 8.2018 vorstellte und den Theodor Fontane als »Märchenplatz« bezeichnete. Mit dem UNESCO-Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin verfügt der Barnim über eines der größten zusammenhängenden Waldgebiete Deutschlands, in dem einst preußische Könige, Kaiser, Diktatoren und Bonzen jagten. So vielfältig wie die Flora und Fauna des einzigartigen Landstrichs 50 Kilometer nordöstlich der deutschen Hauptstadt ist, so spannend ist die Geschichte dieser Region.

Teil dieser Geschichte und Zeugnis preußischer Industriekultur ist der 400 Jahre alte Finowkanal, der nach Order des Kurfürsten Joachim Friedrich von Brandenburg (1546-1603) die beiden Stromgebiete Havel im Westen und Oder im Osten verbinden sollte. Mit dem Bau dieses »Ersten Finowkanals« wurde 1605 begonnen. In 15 Jahren Bauzeit wurde die Verbindung der Havel bei Liebenwalde bis zum Flüsschen Finow und der Bau von fünf Schleusen bis Finowfurt um 1620 fertiggestellt. Allerdings soll der weitere Kanalausbau wegen Geldmangels später schleppend vorangegangen sein und in Folge des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) verfielen und verwahrlosten einzelne Kanalabschnitte. Das Kanal-Schicksal schien besiegelt, er geriet in Vergessenheit.

Erst Reformer Friedrich der Große (1712-1786) erkannte die wirtschaftliche Bedeutung der Wasserstraße. Auf seinen Erlass wurde der Kanal ab 1743 wiederhergestellt. Damit erlebte die Region einen wirtschaftlichen Aufschwung, und so begann sich im 18. Jahrhundert im Raum Eberswalde metallverarbeitende Industrie anzusiedeln. Bis 1753 wurde der Kanal um sieben Schleusen in Richtung Osten erweitert. Noch heute gleichen zwölf Schleusen auf einer Länge von etwa 30 Kilometern einen beachtlichen Höhenunterschied von 36 Metern aus. Dabei verfügen alle Schleusen über Einheitsmaße von etwa 41 m Länge und 9,60 m Breite.

Daraus resultiert übrigens auch das sogenannte »Finowmaß«, das mit 40,20 m Länge, 4,60 m Breite und 1,40 m Tiefe zu einer Schiffbau-Norm für Binnenschiffe wurde. Deshalb passen in jede Schleuse, deren Tore versetzt zur Schleusenkammer angeordnet sind, zwei Finowmaßkähne nebeneinander. Mit zunehmender Industrialisierung wuchs auch der Verkehr auf dem Finowkanal, auf dem bald Eisenerze, Koks, Rohstoffe, Waren und Industriegüter aller Art transportiert wurden und sich das Finowtal zur »Wiege der Brandenburgisch-Preußischen Industrie« entwickelte. Um 1900 wurden jährlich etwa 2,6 Millionen Tonnen Güter auf dem Kanal verschifft und 50.000 Stämme Holz geflößt.

Mit der Einweihung des Großschifffahrtsweges Berlin-Stettin im Jahre 1914 durch Kaiser Wilhelm II. taufte dieser die neue Verbindung in »Hohenzollernkanal«, den heutigen Oder-Havel-Kanal. Bei Niederfinow entstand eine vierstufige Schleusentreppe, die von 1912 bis 1972 in Betrieb war. Parallel dazu errichtete man das Schiffshebewerk Niederfinow, welches 1934 in Betrieb ging und noch heute zuverlässig seinen Dienst verrichtet…

Ausführliche Reiseinfos und Eindrücke vom Finowkanal
bekommen Sie in SKIPPER Bootshandel 08/2019
Text & Fotos: Rex Schober