Grönland Report

 North-Line Yachts-Expedition nach Grönland

 

                   

10. Juni 2016 Harlingen – Peterhead

Es ist sechs Uhr am Abend, als wir Familie und Freunden am Kai Adé sagen und durch die Tjerk Hiddes-Schleuse in Harlingen aufbrechen. Was als Traum vor einem Vierteljahrhundert begann, ist endlich Wirklichkeit – Ich bin auf dem Weg nach Grönland! Wir hoffen natürlich auch, einen neuen Rekord als erster Halbgleiter aufzustellen, der von den Niederlanden nach Grönland ausschließlich mit Betankung en route aufbricht.

Mit einem Kloß im Hals lassen wir das Festland hinter uns und befinden uns bei konstanter Geschwindigkeit um die 10 Knoten schon bald nördlich der Insel Vlleland. Schließlich wird es für »Chef« Cees Zeit, das erste Abendessen zu servieren, das wie so viele Male auf unserer Reise, vorzüglich mundet.

Wir sind von zahllosen Booten umgeben, da auf der Insel Terschelling derzeit das beliebte Festival Oerol läuft. Wir überholen zahlreiche Segeljachten, bevor wir, nach Stortemelk, Kurs 315 auf Peterhead nehmen. Wir beschleunigen auf 2350 U/min und erreichen Geschwindigkeiten über 17 Knoten, wobei wir fleißig den Windfinder kontrollieren. Es werden ein Meter hohe Wellen vorhergesagt, aber in Wirklichkeit sind sie zweimal so hoch, so dass die Jacht ständig auf- und niedergeht. Wir gingen davon aus, dass sich die Wellen beim Eintritt in tiefere Gewässer beruhigen würden, aber leider beruhigen sie sich erst am frühen Morgen. In der Nacht haben wir nicht ein einziges Boot ausmachen können – kein AIS-Signal auf dem Plotter, kein Punkt auf dem Radar. Bei leichtem Regen und einer dunklen Nacht beschließen wir, die Scheibenwischer ausgeschaltet zu lassen; ohne Mond und bei diesem bewölkten Himmel würden wir ohnehin nichts sehen.

Unsere geschätzte Ankunftszeit in Peterhead ist 15.00 Uhr. Fünf Minuten vor Ankunft melden wir uns an der Hafenkontrolle an. Gefragt, was wir zu tun gedenken, antworten wir, dass wir die Nacht im Hafen verbringen möchten. Ein freundlicher Hafenmeister fragt uns, woher wir kommen. »Harlingen« antworten wir, und so bittet er uns, ihm die Reisepässe ins Büro zu bringen. Zuvor erledigen wir einige notwendige Arbeiten, machen sauber und nehmen eine Dusche. Die Dusche scheint mich aufzuwecken, und ich frage mich, ob ich überhaupt meinen Reisepass mitgenommen habe. Da schießt es mir durch den Kopf, wo ich ihn gelassen habe…zu Hause in einer Schublade. Tatsächlich, nach so vielen Wochen Vorbereitung auf die Reise, vergesse ich meinen Reisepass!

Ein rascher Anruf bei mir zu Hause bringt Gewissheit: 700 Euro kostet der Versand des Passes nach Schottland, nicht gerade die besten Neuigkeiten. Ich könnte auch zurückfliegen, aber auch das ist nicht viel billiger. Nach kurzer Besprechung entscheiden wir, zuerst zum Hafenmeister zu gehen. Der sieht keine Probleme, denn schließlich sind wir ja nur hier, um aufzutanken und uns morgen in Richtung Färöer-Inseln zu verabschieden. So hat meine Familie genügend Zeit, den Pass per DHL nach Tórshavn zu schicken. Ehrlich gesagt, denkt keiner von uns daran, dass die Leute vom Zoll uns zurückschicken könnten.

Vor dem Abendessen fühlen wir uns zu einer Fahrradtour um Peterhead aufgelegt, einem öden Ort, in dem die Jugend in Hauseingängen abhängt. Schnell geht es zurück zum Boot, wo Cees frischen Wolfsbarsch gekocht hat, auf den ein leckeres Dessert folgt. Obwohl es immer noch in Strippen regnet, sind wir guter Stimmung. So müssen wir wenigstens nicht das Boot reinigen, denn das Salz wäscht den Schmutz zuverlässig ab. Bevor wir ins Bett fallen, tauschen wir uns noch kurz über die morgige Route aus.

 

12. Juni 2016, Peterhead – Vagúr (Färöer-Inseln)

Nach einem herzhaften Frühstück geben wir den Torschlüssel wieder beim Hafenmeister ab, der sagt, dass wir in zehn Minuten auftanken können. Wir bereiten das Boot vor und fahren zum Tank-Anleger, wo uns der Hafenmeister vom fünf Meter hohen Kai mit einem breiten Grinsen den Schlauch herunterwirft. Unsere Geduld wird nur durch den langen Tankvorgang und durch die Tatsache auf die Probe gestellt, dass wir zum Zahlen zum Hafen zurückfahren müssen, denn: »Mein Kabel ist nicht lang genug!« Die Schotten hatten schon immer einen gesunden Humor… Nach Auffüllen der Wasservorräte sind wir endlich fertig zur Abfahrt.

Wir haben noch drei Stunden Ebbe und machen 1150 U/min und neun Knoten Fahrt. Alles läuft nach Plan: Das Wetter klart auf, und wir können einen schwachen Sonnenstrahl am Himmel sehen. Da wenig Schiffsverkehr herrscht, stellen wir den Radaralarm ein und holen unsere Sonnenstühle aus den Schränken: So entspannend kann das Seemannsleben sein. In der Zwischenzeit beheben wir eine Reifenpanne an einem der Mountainbike-Reifen – Platz an Bord gibt es genug.

Nach 30 Meilen setzt die Flut ein, und unsere Geschwindigkeit fällt auf sieben Knoten ab. Wir tuckern langsam dahin, aber auf dem iPod sind schließlich noch 750 Lieder übrig, das sollte noch eine Weile vorhalten! Nach einer warmen Mahlzeit fahren wir in Pentland Firth ein. Der AIS zeigt an, dass die Holland in der entgegengesetzten Richtung unterwegs ist. Da wir den Bordingenieur kennen, nehmen wir auf der Ultrakurzwelle über Kanal 77 Kontakt auf. Wir bitten den Kapitän, Grüße der Dauntless-Crew auszurichten.

Immer auf Kurs bleibend, verlassen wir Pentland Firth mit 20 Knoten um ca. 21.00 Uhr. Um 21.30 Uhr ändern wir unseren Kurs nach Vagúr. Am Abend steigt der Wind aus östlicher Richtung auf 18 Knoten an. Der Seegang ist angenehm, der Mond leuchtet unseren Weg und alles ist gut. In der Nacht passieren wir ein Fischerboot und ein kleines Containerschiff – insgesamt eine ruhige Nacht, in der wir in Schichten Wache halten.

Um acht Uhr morgens sichten wir die Insel und machen gegen neun Uhr am Kai fest. Glücklicherweise haben wir zwei Holländer als Nachbarn, die uns Kaffee anbieten. Im Büro der Hafenmeisterei werden wir gebeten, die Mannschaftsliste auszufüllen und uns um 16:00 Uhr an Bord zur Zollkontrolle einzufinden. Dadurch haben wir Zeit zum Fahrradfahren, aber das Wetter spielt nicht mit. Durch den ständigen Sprühregen dauert es nicht lang, bis wir vollkommen durchnässt sind. Eine warme Dusche und ein Kaffee an Bord wecken unsere Lebensgeister wieder.

Wir beschließen, den Fischmarkt zu besuchen und frischen Dorsch zu kaufen. Ob es unser freundliches (oder sportliches) Auftreten ist? Jedenfalls bekommen wir den Fisch umsonst. Den Rest unseres Mittagessens kaufen wir im Supermarkt. Die Zollbehörde erscheint und führt die ersten Kontrollen durch: Mannschaftsliste, alkoholische Getränke, Unterschrift, Taschenrechner: alles wird abgehakt. Wieder scheinen wir eine positive Aura zu haben: Die Zollbeamten legen Unterlagen und Taschenrechner beiseite, und nach einer kurzen Bordbegehung heißt es: Bon voyage. Da schmeckt der Dorsch gleich noch besser. Ein abendlicher Spaziergang, ein wenig Kaffee und ein Glas Whiskey, und es geht in die Kojen.

Sechs WOCHEN AUF SEE – die Tour 2016: 

14. Juni, Vagúr – Tórshavn
15. Juni, Streymoy
16. Juni, Tórshavn
18. Juni, Seyðisfjörður
19. Juni, Siglufjörður – Ísafjörður
21. Juni, Ísafjörður – Reykjavík
23. Juni, Reykjavík
15. Juli, Amsterdam – Reykjavík
18. Juli  Reykjavík – Scoresbysund (Grönland)
21. Juli, Ittoqqortoormiit – Hekla havn
22. Juli, Hekla havn – Hekla havn
23. Juli, Hekla havn – Akureyri
25. Juli, Akureyri – Dalvik
26. Juli, Dalvík – Seyðisfjörður
27. Juli, Seyðisfjörður
28. Juli, Seyðisfjörður
29. Juli, Seyðisfjörður
30. Juli, Seyðisfjörður
31. Juli, Seyðisfjörður – Midagur Färöer-Inseln
01. August 2016, Midagur – Kirkwall
03. August 2016, Kirkwall – Peter-head.
04. August 2016 Peterhead – Thyborøn
06. August 2016, Thyborøn – GrenaA
07. August 2016, Grenaa – Ærø­sund
08. AuguST, Ærøsund – Cux-haven
09. August, Cuxhaven – Borkum

10. August, Borkum – Harlingen

Der Wind hat etwas nachgelassen und kommt nun von Südwest. Durch das Hubertgat fahren wir unterhalb der Inseln auf der Zehn-Meter-Linie. Um 11:00 Uhr erreichen wir pünktlich zum Flutwechsel Stortemelk. Wir schweben mit beträchtlichem Wellengang hinein, nehmen eine Abkürzung bei der Sandbank Richel und passieren durch die Vlieree mit 20 Knoten. Ich schwelge in Erinnerungen an die Reise, die ihrem Ende entgegen geht. Ich habe meinen Traum, meinen Wunsch erfüllt. Es beginnt zu nieseln. Fast zu Hause.

Wir waren sechs Wochen auf See, bewältigten 4300 Seemeilen und hatten den Motor 390 Stunden in Betrieb. Die Jacht hat sich mehr als nur bewährt und zeigte sich unter allen Bedingungen sehr souverän. In diesem Sinne ist die Dauntless ihrem Namen gerecht geworden: Unbezähmbar, furchtlos, wagemutig.

Nach dieser Reise kann ich nur konstatieren: Träume können wahr werden.

 

Quelle: SKIPPER Bootshandel

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